Handbuch für die Ärzte |
1993 gibt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ein "Handbuch HIV-Test | Arbeitshilfen zur Beratung und Testdurchführung" heraus, das sich speziell an die Ärzte wendet, die den direkten Patientenkontakt haben, an denen sie die Tests durchführen. Auf Seite 22 findet man folgende Aussagen:
"Die Zuverlässigkeit eines HIV-Tests hängt nicht nur von der Testgüte ab, sondern auch davon, wie viele Infizierte es überhaupt in einer Gruppe von Getesteten gibt. Je geringer die Häufigkeit von Infizierten in der untersuchten Gruppe ist, desto größer wird z.B. bei Reihentests der Anteil der falsch-positiven Testergebnissen." Wie soll man das denn verstehen? Des Test zeigt immer einen gewissen Prozentsatz der getesteten Menschen positiv an. Je weniger der getesteten Menschen nach schulmedizinsicher Definition "tatsächlich positiv" sind, umso häufiger liegt der Test mit seinen Zufallsergebnissen daneben.
Umgedreht bedeutet das, hätte man eine getestete Gruppe, in der jeder nach schulmedizinsicher Definition als "tatsächlich positiv" gilt, dann wäre die "Zuverlässigkeit" des Tests 100%, weil er ja niemanden als "falsch-positiv" anzeigen kann, da ja nach Definition alle positiv sind. Dann zeigt er halt falsch-negativ an. Die Zuverlässigkeit des HIV-Tests, so die Aussage der Bundeszentrale, ist also davon abhängig, dass man ihn möglichst nicht an "negativen" Menschen anwendet. Denn je höher der Anteil an "negativen" Menschen unter den Getesteten, desto häufiger kommt ein falsch-positives Ergebnis. Da handelt es sich doch weniger um eine Zuverlässigkeit, sondern mehr um eine Zufalllässigkeit. Die Bundeszentrale zur Aussagekraft der Testergebnisse Wie soll der Test unter diesen Umständen irgendein aussagekräftiges Ergebnis bringen können? Tatsächlich geht es auf derselben Seite im Text wie folgt weiter: "Die "diagnostische Lücke" und die Interpretierungsbedürftigkeit der Befunde sowie die statistische Fehlerbreite (falsch-positiv/falsch-negativ) lassen in der Regel nur den individuellen Einsatz des HIV-Tests zu, denn letztendlich ist nur dieser getestete Mensch in der Lage, das Ergebnis für sich zu bewerten und in seine Lebenssituation einzuordnen: Es kommt nicht darauf an, was er oder sie im Gespräch vor der Beratung sagt bzw. sich zu sagen traut, sondern es kommt auf das an, was er oder sie über sich weiß. Eine gute Beratung lässt auch zu, dass manches nicht ausgesprochen wird." Na jetzt wird's aber spannend. Die Zuverlässigkeit des Tests hängt nicht nur davon ab, ob er technisch korrekt ist, sondern auch davon, ob der Patient selber das Testergebnis in Bezug auf seinen eigenen Lebenswandel für realistisch hält. Das klingt fast so, als wären wir bei "Wünsch dir was".
Der HIV-Test soll doch angeblich etwas MESSEN. Also ein MESSergebnis liefern, und keine Meinungsäußerung, die dann individuell interpretierungsbedürftig ist. Eine Messung ist entweder korrekt oder inkorrekt. Vor allem, wenn es um eine Messung geht, die nur "Ja" oder "Nein" sagt. Was gibt es da groß zu interpretieren? Vor allem soll nicht der Arzt das Testergebnis bewerten, sondern der Getestete selbst. Und der muss dann überlegen, ob das Testergebnis denn gemessen an dem, was er über sich weiß, stimmen könnte oder nicht. Welcher Arzt hat eigentlich einem Patienten vor dem HIV-Test bei der Beratung diese Informationen genannt, die ihm von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung an die Hand gegeben wurden?
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Handbuch für die Bevölkerung |
1995 gibt genau dieselbe Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung noch ein Handbuch heraus. Diesmal aber nicht speziell für die Ärzte, sondern für die allgemeine Bevölkerung mit dem Titel "Wissenswertes über den HIV-Test". In diesem Heft schreibt die Bundeszentrale:
"Durch die ansteckende Abwehrschwäche Aids fühlen sich heute viele Menschen beunruhigt. Sie sind besorgt, ob sie sich vielleicht angesteckt haben könnten. Eine ausführliche Beratung kann hier weiterhelfen; der HIV-Antikörper-Test gibt Sicherheit." Wo gibt der Test denn Sicherheit, wenn dessen Zuverlässigkeit davon abhängig ist, dass man ihm möglichst keine "hiv-negativen" Menschen vorsetzt, weil er sonst diese falsch-positiv testet? Was hat das denn mit Sicherheit zu tun, wenn das Testergebnis interpretierungsbedürftig ist und letztendlich nur vom Getesteten selbst (nicht vom Arzt oder Laboranten) bewertet werden kann?
Wieso erzählt die Bundesbehörde der Bevölkerung etwas anderes, als den Ärzten? Unter Punkt 3 versuchen sie das dann wieder zu relativieren, werfen aber sofort ein, dass es für die ungenauen Suchtest-Ergebnisse anschließende Bestätigungstests gäbe. Und beide zusammen würden dann in jedem Fall ein sicheres Ergebnis bedeuten. Dass diese Aussage aber nicht stimmen kann, sehen wir zum Thema "HIV-Tests". Das Wort "Bestätigungstest" für den "Suchtest" erregt die Annahme beim Leser, der Bestätigungstest wäre anders als der Suchtest und würde etwas anderes tun. Der Bestätigungstest macht aber dasselbe, wie der Suchtest. In Wirklichkeit ist der Bestätigungstest genauso wenig aussagekräftig, wie der Suchtest, und wenn man zwei aussagelose Tests verwendet, bieten sie auch gemeinsam kein aussagekräftiges Ergebnis. Auch in der Packungsbeilage des Bestätigungstests auf Seite 10 steht, dass die Testergebnisse interpretiert werden müssen, und nicht etwa sicher positiv oder sicher negativ anzeigen. Ein echtes Messergebnis muss man nicht beurteilen. Gegenüber der Bevölkerung sagt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in ihrem Handbuch unter Punkt 2, dass der Bestätigungstest in jedem Fall sehr genau ist. Beim Bestätigungstest Wester Blot steht in der Packungsbeilage: "Ein negatives Testergebnis schließt eine Virusexposition oder -infektion nicht aus."
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